Die neue Flohkrötenspezies lebt im Regenwald Brasiliens, passt locker auf eine Fingerkuppe und klingt wie eine Grille. Sie ist bisher das zweitkleinste Wirbeltier der Erde Im Atlantischen Regenwald Brasiliens stieß ein Forschungsteam auf eine neue Art, die es als Brachycephalus dacnis bezeichnet.
Ein Frosch geht an die Grenzen des Möglichen: Forschende haben im brasilianischen Regenwald eine neue Art entdeckt, die zu den kleinsten Wirbeltieren des Planeten gehört. Brachycephalus dacnis ist 6,95 Millimeter groß, auf der Fingerkuppe eines erwachsenen Menschen hat der Winzling locker Platz und kann sogar noch zur Froschparty einladen. Im Fachjournal PeerJ berichten Luís Felipe Toledo von der Landesuniversität von Campinas Unicamp in Brasilien und sein Team über den Minifrosch.
Kleiner Frosch, große Klappe: B. dacnis.
Er gehört zur Gattung der Sattelkröten, die aufgrund ihrer geringen Größe und ihres Springvermögens teils auch als Flohkröten bezeichnet werden. Im Weitsprung bringen die Südamerikaner es auf die 30-fache Körperlänge. Paradoxerweise findet man sie auf Onlineplattformen auch im Kontext der Frage: Warum können diese Frösche nicht springen? Der Grund: Viele Arten tun sich bei der Landung schwer und kommen auf dem Rücken auf, wie das folgende Video zeigt.
Why can't these frogs jump?
Ihre Landeschwierigkeiten hängen mit ihrer Größe zusammen. Das Innenohrsystem ist so klein, dass es Probleme bei der Balance verursacht, denn dort sitzt quasi der Gleichgewichtssinn. Wie das Forschungsteam herausgefunden hat, fehlen auch der neu entdeckten Art B. dacnis Teile des Innenohrs. Noch dazu haben sie nicht vier Finger an den Händen und fünf Zehen an den Füßen, sondern jeweils zwei Finger und drei Zehen. Mehr geht sich auf derart winzigen Extremitäten offenbar nicht aus.
Verräterischer Ruf Das Rennen um den ersten Platz der weltweit kleinsten Wirbeltiere haben sie nach aktuellem Stand um Haaresbreite verloren. Ein ausgewachsenes Exemplar aus der gleichen Krötengattung war mit 6,5 Millimetern noch kleiner, nämlich B. pulex. Die Größenunterschiede sind laut Erstautor Toledo aber einerseits kaum wahrnehmbar, andererseits könne man schon bald einen Vertreter der neuen Art B. dacnis finden, das mindestens genauso klein ist. Das Wettrennen oder -hüpfen ist also noch im Gange.
Verschiedene Arten der Sattelkröten können einander sehr ähnlich sehen und innerhalb einer Spezies verschiedene Farben haben.
Bei der Entdeckung der neuen Spezies spielte ihr Kleinformat eine untergeordnete Rolle. Die Sattelkröten sind einander optisch teils sehr ähnlich. Doch Toledo hörte die Tonaufnahme von Kollegen, die für das ungeübte Ohr eher nach Grille als nach Frosch klingt, wie es im Froschporträt der New York Times heißt . Der Experte ahnte, dass er den Klang einer neuen Art vernahm, und sagte: "Du hast da zwei Spezies in deinen Händen."
So klingt der Ruf des Brachycephalus dacnis.
Im Vergleich zu anderen Arten ist der Ruf, mit dem dieses Froschmännchen Weibchen anlockt, kürzer, leiser, eher zirpend und umfasst weniger Töne. Ein DNA-Test konnte bestätigen, dass sich das Exemplar genetisch stark genug von anderen Minikröten unterscheidet, um als neue Art gewertet zu werden.
Benannt wurde B. dacnis nach dem NGO-Naturschutzprojekt Dacnis, im Rahmen dessen die Forscherinnen und Forscher auf den neuen Minifrosch stießen, in Kooperation mit den Universitäten Unicamp und der Staatlichen Universität São Paulo "Júlio de Mesquita Filho" (UNESP).
Vorteile des Kleinseins Was die kleine Gattung Brachycephalus auszeichnet: Ihre Vertreter überspringen das Kaulquappenstadium und schlüpfen als fertige Frösche aus den zwei Eiern, die zu einem Gelege gehören. Ihr Miniaturkörper ist kürzer als der von manch einer Ameise. Damit werden die Frösche auch Opfer von räuberischen Insekten und Spinnen, die es größenmäßig mit ihnen aufnehmen können.
Wie viele Flohkröten passen in eine Hand?
Evolutionär kann das Konzept "Klein, aber fein" jedoch Vorteile bieten, wie Jodi Rowley vom Australischen Museum in Sydney, die nicht an der Studie beteiligt war, erklärt: "Die Verkleinerung ermöglicht es den Fröschen, in einer ganz neuen Welt zu leben, die größeren Fröschen verschlossen bleibt." Den Kleinen bietet die dichte Laubdecke auf dem Boden Schutz vor Fressfeinden und ein reiches Nahrungsangebot.
"Ein großer Teil der uns bekannten und unbekannten Artenvielfalt ist klein und getarnt und bleibt daher oft unbemerkt", sagt Rowley. Um schwierig zu findende Tiere wie die Minifrösche besser zu schützen, die im stark abgeholzten Atlantischen Regenwald Brasiliens leben, sei es entsprechend wichtig, mehr über sie zu lernen. Es könnten sich noch viele geheime Rekordhalter unter den Blättern verstecken. (sic, 31.10.2024)