Bei schwülen 36 Grad Hitze fühlen sich nicht nur die Karnevalsbesucher wohl, sondern auch die Gelbfiebermücken. Diese verursachen mit ihren Stichen einen Gesundheitsnotstand in Brasilien wegen des Denguefiebers.
Millionen Besucher aus der ganzen Welt reisen für den Karneval nach Rio de Janeiro. Darunter sind auch viele Schweizerinnen und Schweizer. Konkrete Einreisezahlen kann Andrea Beffa vom Schweizer Reise-Verband nicht nennen. «Doch während des Karnevals verbringen generell mehr Touristen ihre Ferien in Brasilien und insbesondere in Rio de Janeiro.»
Ausgerechnet Rio de Janeiro ist zur Zeit der Hotspot des Denguefieber, das wegen der Schmerzen auch «Knochenbrecherkrankheit» genannt wird.
Gute Bedingungen für die Mücken
Die Dengue-Erkrankung ist in den Tropen und Subtropen weit verbreitet. Dieses Jahr erlebe Rio die grösste Infektionswelle seit 50 Jahren, erklärt Bürgermeister Eduardo Paes. In Rio und anderen fünf brasilianischen Bundesstaaten verhängten die Behörden den Gesundheitsnotstand, über 60 Menschen starben bisher wegen der Virusinfektion, etwa eine halbe Million erkrankte. Das sind dreimal so viel wie im Vorjahr zur selben Jahreszeit.
«Dengue-Epidemien erscheinen rund alle vier Jahre, aber dieses Jahr ist die Welle heftiger und früher als sonst», sagt dazu der Epidemiologe Marcel Tanner, ehemaliger Direktor des Schweizerischen Tropeninstituts. Normalerweise beginnt die Dengue-Saison in Brasilien eher im April und Mai. Der frühe Beginn sei mit zwei Faktoren zu erklären, sagt Tanner.
Zum Ersten die grosse Hitze, die eine bessere und schnellere Entwicklung der Mücken ermögliche. «Zweitens hat es mehr Brutplätze in Töpfen, alten Pneus und Büchsen durch die sehr frühen und heftigen Regenfälle», sagt Tanner. Ursache der vielen Regenfälle ist das Wetterphänomen El Nino, welches die Nässe und Wärme übers Meer nach Brasilien transportiert.
Mensch-zu-Mensch-Übertragung
Übertragen werden die Viren von den weiblichen Mücken. Das Virus löst grippeähnliche Symptome aus und verläuft bei 60 Prozent ohne Symptome, 40 Prozent erkranken, die Hälfte davon schwer. Das Krankheitsrisiko erhöht sich bei einer zweiten Infektion, weil die Gefahr einer Überreaktion des Immunsystems steigt. «Extrem selten sind auch Mensch-zu-Mensch-Übertragungen,die durch Bluttransfusionen möglich sind», erklärt Epidemiologe Tanner. Das sei aber beim Karneval in Rio kein entscheidender Faktor.
Deshalb hält er es auch nicht für nötig, den Karneval abzusagen, was von verschiedenen Seiten gefordert worden ist. Nicht nur den Schweizer Brasilienreisenden rät Tanner zum konsequenten Mückenschutz. Das bedeutet zuerst, vorsorglich Repellentien, also Anti-Mücken-Sprays und Mückennetze, anzuwenden und wo möglich langärmlige, mit Insektizid behandelte weite Kleider zu tragen.
Noch sind keine in die Schweiz eingeschleppten Duengue-Fälle bekannt. Aber es gebe immer importierte Fälle. «2012 waren es rund 25 importierte Fälle. Nach dem Ende der Pandemie hat mit dem Wiederbeginn des Reisens die Zahl wieder zugenommen, so waren es in den letzten zwei Jahren gut 260 importierte Duengue-Fälle», sagt Tanner.
Da es im Jahr 2019 beispielsweise bis zu 40'000 Todesfälle gab, wird dementsprechend emsig nach Impfstoffen geforscht, solche gibt es aber bereits. Vor einigen Tagen sind nun hoffnungsvolle Studienresultate des brasilianischen Impfstoffs des Butantan-Instituts publiziert worden.
Der Impfstoff Butantan-DV werde noch in diesem Jahr auf den Markt kommen, was für die aktuelle Welle aber nicht mehr reiche. «Vorerst wird noch mit dem japanischen Takeda-Impfstoff Qdenga geimpft, der gegen alle vier Dengue-Subtypen wirksam ist», sagt Tanner. Vom neuen Impfstoff erhofft man sich aber eine noch bessere Wirksamkeit und auch eine leichtere Zugänglichkeit, weil es im eigenen Land produziert wird. Brasilien hat für Qdenga eine grosse Kampagne gestartet. Im Fokus steht aber weiter der Mückenschutz.
Der Schweizer Reise-Verband hat keine Reisewarnung für Brasilien erstellt. «Wir richten uns stets nach den Reisehinweisen des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten - und das EDA warnt nicht vor Reisen nach Brasilien», sagt Beffa. Aber wegen der insbesondere in Rio de Janeiro momentan sehr hohen Anzahl an Krankheitsfällen sei eine gewisse Vorsicht geboten. (aargauerzeitung.ch)